Die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg erfährt eine wegweisende Neuausrichtung. Diese Reformen betreffen alle Schularten und zielen darauf ab, die Bildung noch gezielter an die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler anzupassen. Doch was bedeutet das konkret für Schulen, Lehrkräfte und Eltern?
Wichtige Änderungen im Schulgesetz Die Reform des Schulgesetzes bringt eine Vielzahl von Neuerungen mit sich, die die Weichen für eine zukunftsorientierte Bildungspolitik stellen sollen. Im Mittelpunkt stehen:
1. Stärkung der Sprachförderung
Sprache ist der Schlüssel zur Bildung. Mit verbesserten Sprachförderprogrammen soll insbesondere die frühkindliche und schulische Sprachentwicklung intensiv unterstützt werden. Dies betrifft sowohl Grundschulen als auch weiterführende Schulen.
2. Optimierung des Übergangs von der Grundschule auf weiterführende Schulen
Der Wechsel von der Grundschule in weiterführende Schularten wird neu strukturiert. Ziel ist eine verbesserte Durchlässigkeit und eine passgenauere Schulwahl für jedes Kind.
3. Neuausrichtung der Gymnasien (G9 neu)
Das reformierte G9-Modell bringt eine Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit für bestimmte Schultypen. Dies bietet den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit zur Vertiefung des Lernstoffs.
4. Stärkere Profilierung der Schularten
Werkrealschulen, Hauptschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen erhalten eine klarere Profilierung, um die jeweiligen Stärken dieser Schulformen besser zu nutzen und die individuellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern.
5. Einführung des neuen Fachs "Informatik und Medienbildung"
Digitale Kompetenzen sind in der heutigen Gesellschaft unerlässlich. Das neue Fach "Informatik und Medienbildung" wird daher in den Lehrplan integriert, um Schülerinnen und Schüler frühzeitig für die digitale Welt zu rüsten.
6. Stärkung der Demokratiebildung
Mit dem projektorientierten Vorhaben "Engagement und Verantwortung" soll das Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung und demokratische Werte in den Schulen gestärkt werden.
Wichtige Rechtsverordnungen zur Umsetzung der Schulgesetzreform
Zusätzlich zu den Schulgesetzänderungen treten auch neue Rechtsverordnungen in Kraft, die sich direkt auf die schulische Praxis auswirken. Dazu gehören unter anderem:
Änderung der Konferenzordnung : Neue Regelungen zur Mitbestimmung und Entscheidungsfindung in den Schulgremien.Anpassung der Schulbesuchsverordnung : Neue Regelungen zur Schulpflicht und Anwesenheitskontrolle.Reform der Notenbildungsverordnung : Anpassung der Bewertungsmaßstäbe und Transparenz bei der Notenvergabe.Neue Ganztagsausbaustatistikverordnung für den Primarbereich : Regelungen zur Erhebung und Dokumentation von Ganztagsangeboten in Grundschulen.Zur weiteren Klärung und Einführung der neuen Regelungen sind schulartspezifische Informationsveranstaltungen geplant. Diese stehen auch sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren offen.
Foto: Pexels Neuerungen für Grundschulen in Baden-Württemberg: Sprachförderung und Juniorklassen im Fokus Die Bildungsreform in Baden-Württemberg bringt bedeutende Veränderungen für Grundschulen mit sich. Mit der Einführung von verpflichtenden Sprachfördergruppen und Juniorklassen wird gezielt auf die Bedürfnisse von Kindern mit sprachlichem oder allgemeinem Förderbedarf eingegangen. Diese Maßnahmen sollen die Chancengleichheit erhöhen und eine optimale Vorbereitung auf den weiteren Bildungsweg gewährleisten.
SprachFit: Verbindliche Sprachförderung vor der Einschulung Sprache ist der Schlüssel zum Bildungserfolg . Mit dem Programm SprachFit wird eine verbindliche Sprachförderung für Kinder mit Sprachdefiziten eingeführt, die im Jahr vor der Einschulung beginnen soll.
Zielgruppe sind Kinder mit festgestelltem Sprachförderbedarf
Die Schulleitung entscheidet, basierend auf der schulärztlichen Einschätzung, über die Teilnahme.
Die Förderung umfasst vier Wochenstunden und erfolgt in Kleingruppen.
Sie kann an Grundschulen oder mit Zustimmung des Trägers auch in Kindertagesstätten stattfinden.
Das Personal besteht aus qualifizierten Lehrkräften oder pädagogischen Fachkräften.
Ab dem Schuljahr 2028/2029 wird die Teilnahme verpflichtend.
Die Einführung der Sprachfördergruppen erfolgt schrittweise ab dem Schuljahr 2024/2025, beginnend mit der Umwidmung bestehender Programme.
Juniorklassen: Ein weiteres Vorschuljahr für Kinder mit Förderbedarf Zusätzlich zur Sprachförderung werden Juniorklassen eingeführt, ein vorgeschaltetes Schuljahr für schulpflichtige Kinder mit intensivem Förderbedarf in den Bereichen Sprache, Motorik, Kognition oder sozial-emotionaler Entwicklung.
Die Klassen starten zum Schuljahr 2026/2027.
Die Teilnahme wird ab 2028/2029 für betroffene Kinder verpflichtend.
Unterrichtsumfang: 25 Wochenstunden mit 12 bis 20 Schülerinnen und Schülern pro Klasse.
Die Entscheidung über die Teilnahme trifft die Schulleitung der zuständigen Grundschule.
Aktuell in Grundschulförderklassen tätige Personen können nach Qualifizierung weiterhin eingesetzt werden.
Juniorklassenkinder haben Anspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung.
Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) entwickelt ein verbindliches Bildungsprogramm sowie ein Qualifizierungskonzept für Lehrkräfte dieser Klassen.
Weitere Informationen zu NAVi4 sind unter folgendem Link abrufbar:
www.km-bw.de/faq-bildungsreform
Neues Aufnahmeverfahren „NAVi4“ Um den Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen passgenauer zu gestalten, wird das neue Aufnahmeverfahren „NAVi4“ eingeführt. Es bietet Eltern und Schülern eine fundierte Orientierungshilfe bei der Schulwahl.
Kompetenzmessung „Kompass4“: Eine zentrale, landesweite Testung, die nicht benotet wird, aber verbindlich für alle Schüler ist.
Pädagogische Gesamtwürdigung: Die Klassenkonferenz bewertet Noten und überfachliche Kompetenzen und gibt eine Empfehlung für den Bildungsweg.
*** Beratungsgespräche:** Eltern können sich jederzeit beraten lassen, um eine fundierte Schulentscheidung zu treffen.
Potenzialtest für Gymnasien: Falls die Empfehlung nicht mit dem Elternwunsch übereinstimmt, kann das Kind einen zusätzlichen Test für die Gymnasialaufnahme absolvieren.
Weitere Informationen zu NAVi4 sind unter folgendem Link abrufbar:
www.km-bw.de/faq-bildungsreform
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Neuerungen an Werkrealschulen und Hauptschulen im Kontext von G9 Neu Parallel zur Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums („G9 neu “) ab dem Schuljahr 2025/2026 gibt es auch an den Werkrealschulen und Hauptschulen wesentliche Änderungen. Diese betreffen nicht nur die grundlegende Struktur der Fächer und Stundenpläne, sondern auch die langfristige Ausrichtung der Bildungswege. Wir bieten Ihnen einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Neuerungen, die durch das Kultusministerium bekanntgegeben wurden und teilweise bereits in der Anhörung berücksichtigt wurden.
1. Stärkung der Grundlagenfächer: Deutsch und Mathematik Ab dem Schuljahr 2025/2026 wird in den Klassenstufen 5 und 6 an Werkrealschulen und Hauptschulen eine zusätzliche Stunde in den Fächern Deutsch und Mathematik eingeführt. Diese Stunden dienen der gezielten Förderung der Basiskompetenzen, um Schülerinnen und Schüler noch besser auf ihre schulischen und beruflichen Herausforderungen vorzubereiten.
Ein weiteres innovatives Element ist die Einführung des Faches Informatik und Medienbildung in den Klassenstufen 5 und 6. Das Fach Biologie erhält zudem zusätzliche Wochenstunden. Der bisherige Fächerverbund Biologie, Naturphänomene und Technik (BNT) wird aufgelöst. Die Einführung des neuen Fachs soll die Schülerinnen und Schüler stärker auf die digitale Zukunft vorbereiten.
Die Umstellung auf Informatik erfolgt schrittweise und wird durch Fortbildungsangebote des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) begleitet.
3. Wahlpflichtfächer ab Klasse 6 Ab dem Schuljahr 2025/2026 beginnen die Wahlpflichtfächer nun einheitlich in der 6. Klasse . Die Wahlmöglichkeiten beinhalten Technik sowie Alltagskultur, Ernährung, Soziales (AES) , wobei letztere zwei Fächer um zwei zusätzliche Stunden pro Woche erweitert werden. Die Schulen haben die Möglichkeit, die Fächerwahl flexibel zu gestalten, sodass Schülerinnen und Schüler in den ersten beiden Schulhalbjahren eines Schuljahres unterschiedliche Wahlpflichtfächer belegen können.
Ab dem Schuljahr 2026/2027 werden die Wahlpflichtfächer bis zum Abschluss der Sekundarstufe I kontinuierlich besucht.
4. Förderung der Demokratiebildung In einem weiteren Schritt wird die Demokratiebildung an Werkrealschulen und Hauptschulen gestärkt. In den Klassen 7 bis 9 wird das Projekt „Engagement und Verantwortung “ eingeführt, das einen interdisziplinären Ansatz verfolgt und den Fokus auf nachhaltige Entwicklung sowie die Förderung von Zukunftskompetenzen legt. Zwei Stunden pro Woche werden in diesem Projekt verbracht, das mit verschiedenen Fächern kombiniert wird.
5. Verstärkte berufliche Orientierung Im Fach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung (WBS) wird eine engere Verzahnung mit der Beruflichen Orientierung angestrebt. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler durch eine individuellere Förderung und praxisnahe Angebote optimal auf den Berufsweg vorzubereiten.
6. Individuelles Schülermentoring Ab dem Schuljahr 2025/2026 wird ein individuelles Mentoring für Schülerinnen und Schüler eingeführt, um die Lern- und Leistungsentwicklung gezielt zu unterstützen. Hierfür werden pro Schuljahr verbindlich zwei Lehrerwochenstunden pro Zug bereitgestellt. Diese Maßnahme soll insbesondere den individuellen Förderbedarf erkennen und die persönliche Entwicklung jedes Schülers begleiten.
7. Der Weg zum mittleren Bildungsabschluss Der Werkrealschulabschluss wird nicht mehr weitergeführt. Ab dem Schuljahr 2025/2026 wird der Weg zum Mittleren Bildungsabschluss über Realschulen, Gemeinschaftsschulen oder berufliche Schulen möglich sein. Schülerinnen und Schüler der Werkrealschulen und Hauptschulen sollen weiterhin durch Kooperationsnetzwerke mit beruflichen Schulen den Zugang zu diesem Abschluss erreichen. In den nächsten Jahren wird die konkrete Umsetzung dieser Netzwerke weiterentwickelt.
Die Versetzungsbedingungen für den Werkrealschulabschluss wurden ebenfalls angepasst, um sicherzustellen, dass nur diejenigen Schülerinnen und Schüler versetzt werden, die den Anforderungen gerecht werden. Die Note 3,0 im Schnitt in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Wahlpflichtfach ist hierfür erforderlich.
8. Förderung von Praxiserfahrungen und Betriebspraktika Für Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse mit dem Ziel des Hauptschulabschlusses sind Betriebspraktika in einem Umfang von mindestens sechs Stunden pro Woche vorgesehen. Diese Maßnahme wird dazu beitragen, die beruflichen Interessen der Jugendlichen praxisnah zu unterstützen und zu fördern.
9. Kooperationsmöglichkeiten und Standortsicherung Schulen können Kooperationen mit Realschulen eingehen oder sich in Realschulen oder Gemeinschaftsschulen weiterentwickeln. Dies ermöglicht es, die Schulstandorte zu sichern und die Bildungsangebote für Schülerinnen und Schüler flexibel an die Bedürfnisse der Region anzupassen.
Neuerungen an der Realschule ab 2025/2026 Parallel zur Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G9) gibt es ab dem Schuljahr 2025/2026 auch an den Realschulen bedeutende Neuerungen. Diese Reformen betreffen auch den Bildungsgang an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Hier die wichtigsten Änderungen im Überblick:
1. Stärkung der Grundlagenfächer Deutsch und Mathematik
Eine zusätzliche Deutschstunde in Klassenstufe 5.
Eine weitere zusätzliche Stunde in Mathematik (Klassenstufe 5) oder Deutsch (Klassenstufe 6), Entscheidung durch die Schule.
Ziel: Verbesserung der Basiskompetenzen.
2. Neuerungen im MINT-Bereich
Der Fächerverbund Biologie, Naturphänomene und Technik (BNT) wird abgeschafft.
Mehr Wochenstunden für Biologie (Klassenstufen 5 und 6) und Physik.
Pflichtfach Informatik/Medienbildung ab Klasse 5.
3. Wahlpflichtfächer
Start ab Klassenstufe 6.
Technik sowie Alltagskultur, Ernährung, Soziales (AES) erhalten zwei zusätzliche Wochenstunden.
Umwahloption für Schülerinnen und Schüler am Ende von Klasse 6.
4. Demokratiebildung
Projekt „Engagement und Verantwortung“ mit zwei Lehrerwochenstunden in Klassenstufen 7 bis 9.
Stärkung von kritischem Denken und gesellschaftlicher Teilhabe.
5. Berufliche Orientierung
WBS (Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung) bleibt eigenständig.
Mehr Praxisbezug durch Kompetenzanalyse, Reflexionsarbeit und individuelle Förderung.
6. Individuelles Schülermentoring Zwei Lehrerwochenstunden pro Zug für persönliche Lern- und Leistungsrückmeldung.
7. Phase der Orientierung
Klasse 5 als alleinige Orientierungsstufe.
Entscheidung über das Lernniveau (Realschul- oder Hauptschulabschluss) am Ende der 5. Klasse.
8. Stärkere Verzahnung mit Gymnasien
Kooperationen mit beruflichen und allgemeinbildenden Gymnasien.
Möglichkeit, das Abitur über die Realschule anzustreben.
9. Poolstunden zur individuellen Förderung
20 Poolstunden pro Zug für Realschulen mit Hauptschulabschlussoption.
10 Poolstunden für Realschulen im Verbund mit einer Werkrealschule.
Mit der Einführung des neunjährigen Gymnasiums ("G9 neu") wird es ab dem Schuljahr 2025/2026 grundlegende Veränderungen im allgemeinbildenden Gymnasium geben. Dieser Abschnitt des Artikels fasst die wichtigsten Neuerungen zusammen und gibt einen Überblick über die Auswirkungen auf den Schulalltag.
Die wichtigsten Änderungen bei "G9 neu" 1. Neue Stundentafel Die Stundentafel für "G9 neu" ist verbindlich für die Klassen 5 bis 11 und legt die Stundenvolumina je Fach fest. Wichtige Punkte sind:
Erste Fremdsprache ab Klasse 5, zweite Fremdsprache ab Klasse 6
Profilfächer starten in Klasse 8
Acht Poolstunden zur flexiblen Nutzung durch die Schulen
Reduzierung der Klassenarbeiten in dreistündigen Kernfächern auf mindestens drei pro Schuljahr
2. Stärkung von MINT-Fächern
Einführung des Fachs "Informatik und Medienbildung" von Klasse 5 bis 11
Stärkung der Naturwissenschaften:
Biologie bleibt mit vier Wochenstunden erhalten und erhält eine zusätzliche Stunde
Chemie wird in Klasse 8 gestärkt
Physik wird durchgängig von Klasse 7 bis 11 mit zwei Wochenstunden unterrichtet
Das Profilfach "Naturwissenschaft, Informatik und Technik" (NIT) ersetzt das bisherige "Naturwissenschaft und Technik" (NwT)
3. Stärkung der Demokratiebildung
Demokratiebildung wird verbindlich in den Klassenlehrerstunden der Unterstufe integriert
Geographie erhält in Klasse 7 eine zusätzliche Stunde für Projektunterricht
Gemeinschaftskunde wird in Klasse 11 durch einen Projektkurs Demokratiebildung erweitert
4. Berufliche Orientierung (BO)
Fach Wirtschaft / Berufs- und Studienorientierung (WBS) erhält eine zusätzliche Stunde
Erweiterung der verpflichtenden Praxiserfahrungen um zusätzliche Praktika
5. Individuelles Schülermentoring
Verpflichtendes Mentoring in Klasse 7 oder 10 zur individuellen Förderung
Eine der Poolstunden ist für das Schülermentoring reserviert
G8-Züge weiterhin möglich Schulen können weiterhin G8-Züge anbieten. Die Einrichtung bedarf der Zustimmung der Schulaufsichtsbehörde und muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, darunter eine Mindestanzahl von 27 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang.